Projekt
Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 als gemeinsames Ideal aller Völker und Nationen bezeichnet, damit jeder Einzelne und alle Organe der Gesellschaft sich bemühen, durch Unterricht und Erziehung die Achtung dieser Rechte und Freiheiten zu fördern.
Das Kulturprojekt „FACING NATIONS – culture of humanity“ bemüht sich um die
Umsetzung dieses Ideals in dankenswerter Weise. Mit hoher Sensibilität werden
Menschen aus den UN-Mitgliedsländern in den Mittelpunkt der Ausstellung gestellt.
Dr. Heinz FISCHER
Bundespräsident v. Österreich
Foto: PK
30 Jahre Vienna International Centre sind ein schöner Anlass, um Revue passieren zu lassen. Österreich ist stolz, Gastland für zahlreiche wichtige Organisationen der Vereinten Nationen zu sein. An vorderster Stelle sind die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO), das Büro der Vereinten Nationen in Wien (UNOV), die Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDO), das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC), die Vorbereitende Kommission für die Organisation des Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBTO) und das UN Büro für Weltraumfragen hier in Österreich zu Gast.
Die österreichische Amtssitzpolitik ist eine Säule der österreichischen Außenpolitik. Im Herzen Europas gelegen und im Laufe seiner Geschichte immer wieder Treffpunkt verschiedener Kulturen, Religionen und politischer Systeme, entwickelte Österreich eine eigene Kultur des Dialogs, gemeinsam mit einer aktiven Rolle in internationalen Organisationen und in der multilateralen Diplomatie. Als Gastland schätzt Österreich die wichtige Rolle der hier ansässigen Organisationen, die maßgeblich dazu beitragen, Wien als Drehscheibe für Frieden und Dialog weiter zu positionieren.
Dr. Michael SPINDELEGGER
Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten
Foto: Außenministerium/Hopi-Media
Die UNO-City an der Donau feiert heuer ihr 30-jähriges Bestehen. Am 23. August 1979 wurde sie feierlich eröffnet und den Internationalen Organisationen übergeben. Der markante Baukörper prägt seitdem die Skyline des neuen und modernen Wien.
Die in Wien ansässigen Internationalen Organisationen haben wesentlich zur Reputation Österreichs beigetragen, fast noch wichtiger ist aber der kulturelle Aspekt: Jene Menschen, die aus allen Ländern der Welt kommen um in der UNO-City zu arbeiten, sind eine tägliche Bereicherung für unsere Stadt und für unsere Gesellschaft.
Die UNO-City ist Stätte des Friedens und der internationalen Begegnung. Als Bürgermeister bin ich stolz auf die große Tradition Wiens als Stadt des Dialogs. Als einer der drei großen UNO-Amtssitze und einer der reichsten Regionen der Welt sehen wir es als unsere Verpflichtung und als Ehre, zu einer friedlichen Zukunft aller Völker, Kulturen und Religionen beizutragen.
Dr. Michael HÄUPL
Bürgermeister von Wien
Foto: Stadt Wien/Fotograf Kurt Keinrath
Das ideenreiche Projekt “FACING NATIONS – culture of humanity” spiegelt den Ursprung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vor über 60 Jahren wider. Das allererste von der Erklärung betonte Recht ist das Recht auf Leben – ein Recht, das Millionen von Menschen während der Grausamkeiten des Zweiten Weltkrieges verwehrt wurde.
Im selben Zeitabschnitt entstand eine neue Bedrohung für das Leben auf Erden: die sich anbahnende Bedrohung der atomaren Vernichtung. Das Auslöschen von Hiroshima und Nagasaki wird für immer lebhaft in unseren Gedanken bleiben. Heute haben acht Staaten insgesamt über 2000 Atomtests durchgeführt und dabei über 20.000 Atomwaffen angesammelt, von denen jede die Hiroshima-Bombe, in Hinsicht der zerstörerischen Kraft, in den Schatten stellt.
Deswegen ist es eine tiefgreifende moralische und menschliche Verpflichtung, auf die Beseitigung dieser Waffen hinzuarbeiten. Es stimmt mich hoffnungsvoll, dass in den letzten Jahren eine wachsende Anzahl von Staats- und Regierungschefs die Vision einer atomwaffenfreien Welt mit offenen Armen empfangen hat.
Tibor TÓTH
Exekutivsekretär, Vorbereitungskommission für die Organisation des Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBTO)
Foto: CTBTO
Die Internationale Atomenergie-Organisation wurde im Jahr 1957 gegründet, vier Jahre nachdem Präsident Eisenhower zur Schaffung einer Organisation aufgerufen hatte, die Atomwissenschaft und Atomtechnik in den Dienst der Menschheit stellt und die garantiert, dass Atomenergie ausschließlich für friedliche Zwecke verwendet wird.
Nach fast 20 Jahren im Grand Hotel hat sich die Behörde 1979 im Internationalen Zentrum Wien niedergelassen. Die Anzahl unserer Mitglieder ist kontinuierlich angestiegen und umfasst nun 150 Staaten.
Unser Doppelmandat, das Sicherheit und Entwicklung beinhaltet, ist einzigartig. In der Öffentlichkeit wird unsere Behörde meistens mit unserer Arbeit gegen die Verbreitung von Atomwaffen assoziiert, aber wir tun mehr als nur das.
Indem wir Entwicklungsländern Nukleartechniken zugänglich machen, verhelfen wir ihnen zu einem besseren Zugang zu Nahrung, Wasser und medizinischer Versorgung für die Armen. Die nuklearen Sicherheitsstandards der IAEO sind zu einem internationalen Maßstab geworden und werden nun auch in die Gesetze der Europäischen Union integriert. Wir haben ein bedeutendes nukleares Sicherheitsprogramm, das die Wahrscheinlichkeit, dass Atom- oder radioaktives Material in die Hände von Extremistengruppen fällt, reduziert hat.
Mohamed ELBARADEI
Generaldirektor, Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO)
Foto: IAEA/IAEO
Vor dreißig Jahren, als die Bewohner Wiens zum ersten Mal die unerreichbar hohen und futuristischen Gebäude sowie die riesigen aneinander gereihten Bögen entlang des Donauufers betrachteten, war die Welt ein völlig anderer Ort. In jenen Tagen wagten sich nicht viele auf diese Seite des Flusses hinaus. Tatsächlich stand das Internationale Zentrum Wien, einem Wachposten gleich, zwischen konkurrierenden Staatsgruppen und Systemen: Aus dem höchsten seiner 28 Stockwerke konnte man mit bloßem Auge sogar die Teilungslinie zwischen dem Westen und dem Osten erkennen.
Diese neuartige Konstruktion ist jedoch nicht entstanden, um die Teilung zu festigen. Es nahm vielmehr den Ansatz österreichischer Tradition zur Diskussion, Einigung und dem gegenseitigen Verständnis an, die sogar auf den Wiener Kongress von 1814 zurückgeht und diesem neues Leben einhauchte. Man weigerte sich zu akzeptieren, dass die geographische Lage Wiens peripher sein sollte, da es vielmehr als neutraler Raum im Herzen der Welt definiert wurde. Ein neuer Begriff hat sich in den internationalen Beziehungen rasant verbreitet: „Der Wiener Geist“, also die Bereitschaft, einen Konsens anzustreben, der sich oftmals den Bemühungen jener entzog, die in anderen Sparten der multilateralen Diplomatie aktiv waren.
Kandeh K. YUMKELLA
Generaldirektor, Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDO)
Foto: UNIDO
Seit 1979, und somit seit 30 Jahren, haben die Vereinten Nationen in der österreichischen Hauptstadt ihren dritten Hauptsitz (nach New York und Genf), untergebracht im Internationalen Zentrum Wien (VIC) – einer Sehenswürdigkeit der Stadt.
In den letzten drei Jahrzehnten ist das VIC zu einem internationalen Knotenpunkt für Belange der menschlichen Sicherheit geworden. Diese Bandbreite und Tiefe an Expertise spiegelt wider, wie hervorragend das Büro der Vereinten Nationen in Wien positioniert und ausgerüstet ist, um einige der dringlichsten Herausforderungen dieser Welt zu behandeln.
Auch das Internationale Zentrum Wien verändert sich mit der Zeit. In diesem Jubiläumsjahr feiern wir die Eröffnung eines hochmodernen Konferenzgebäudes, dem sogenannten M-Gebäude. Außerdem intensivieren wir unsere Anstrengungen, das VIC durch die Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen, Wiederverwertung und Abfallverringerung umweltfreundlicher zu machen.
Antonio Maria COSTA
Generaldirektor, Büro der Vereinten Nationen in Wien (UNOV)
Foto: UNOV/UNODC
Als UNIS Wien im Dezember 2008 FACING NATIONS in Graz unterstützte, wussten wir, dass dies nur der Anfang einer beeindruckenden und weitreichenden Reise sein würde. Der Anlass damals war der 60. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, deren Botschaft von Würde und Menschenrechte für uns alle auch der Grundgedanke von FACING NATIONS ist.
Nach dem großen Erfolg in Graz waren wir sicher, dass die Ausstellung ein
sehr guter Beitrag zu den Feierlichkeiten zum 30. Jubiläum des Internationalen
Zentrums Wien (VIC) sein würde.
Dir. Maher NASSER
UN-Informationsdirektion
Foto: UNIS
60 Jahre nach Unterzeichnung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte hat das ORF-Landesstudio Steiermark im Jahr 2008 mit dem einzigartigen Kunst- und Kulturprojekt „FACING NATIONS – culture of humanity“ des Malers Oskar Stocker an die Entstehung der UN-Menschenrechtscharta erinnert. Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums des Vienna International Centre in Wien ist dieses beeindruckende Werk jetzt auch in der Bundeshauptstadt zu sehen.
Das Projekt „FACING NATIONS – culture of humanity“ mit Porträts von 124
Menschen aus 124 Nationen steht auf eindrucksvolle Weise für Weltoffenheit,
Internationalität, Toleranz und Humanität.
Dr. Alexander WRABETZ
ORF-Generaldirektor
Foto: ORF/Ramsdorfer
Während meiner Jahre bei den Vereinten Nationen hatte ich das Glück, auf allen Kontinenten mit vielen Nationen zusammenzuarbeiten. Diese Erfahrung hat mir gezeigt, welch entscheidende Rolle wir als Länder, Institutionen und Gemeinschaften, aber auch als Individuen füreinander spielen. Ich selbst habe Wurzeln im Islam, in Asien und im Nahen Osten, mein Lebensmittelpunkt ist Wien und die stolze Tradition Österreichs und Zentraleuropas ist durch meine Heirat ein Teil meiner Selbst geworden. Somit weiß ich aus eigener Erfahrung, was Integration in eine andere Welt bedeutet. Es ist nicht immer einfach, aber es ist möglich; mit gutem Willen und Bemühungen vonseiten derer, die ankommen und auch jener, die sie empfangen.
Nasra HASSAN
ehem. UN-Informationsdirektion
Das 60-Jahr-Jubiläum der Unterzeichnung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gibt einmal mehr Anlass dazu, sich über die Lage der Umsetzung der Menschenrechte Ge-danken zu machen: Das Land Steiermark bekennt sich ohne Einschränkung zur Einhaltung der Menschenrechte und hat in diesem Sinne auch umfangreiche Handlungen im eigenen Wirkungsbereich gesetzt. Dazu zählen unter anderem das Einsetzen von verschiedensten Beauftragten zur Überwachung der Menschenrechte sowie die Verleihung des Menschenrechtspreises des Landes Steiermark an Personen, die sich um die Einhaltung bzw. Durchsetzung der Menschenrechte Verdienste erworben haben. Auch in anderen Tätigkeitsfeldern, wie etwa die Unterstützung von Projekten der Entwicklungszusammenarbeit, werden ebenfalls Akzente zur Umsetzung und Wahrung der Menschenrechte gesetzt.
Mag. Franz VOVES
Landeshauptmann Stmk.
FACING NATIONS ist ein spannendes Konzept zur Visualisierung des Zusammenhangs von künstlerischem Schaffen und Menschenrechten. Die Porträts von Menschen mit Migrationshintergrund zeugen von deren Gesicht, von deren unantastbarer Persönlichkeit. Zu leicht sprechen wir jenen, die – aus welchen Umständen auch immer – ihre Heimat verloren haben, letztlich auch noch die Identität ab.
Dr. Kurt FLECKER
Landeshauptmann-Stv.
Seit acht Jahren ist die Stadt Graz als bislang einzige Menschenrechtsstadt Europas den Grundrechten besonders verpflichtet. Nicht zuletzt deshalb ist es für uns eine besondere Ehre, die Präsentation von FACING NATIONS in der steirischen Landeshauptstadt erleben zu dürfen.
Dieses vom ORF Steiermark anlässlich des 60-Jahr-Jubiläums der Unterzeichnung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte initiierte Projekt vermittelt auf eine sensible und anspruchsvolle Weise den Geist der Deklaration und seine Bedeutung für unsere Gesellschaft. Menschen aus über 150 Nationen leben in Graz und prägen und bereichern durch ihre unterschiedlichen Lebenswege, Nationalitäten, Schicksale und ihre kulturellen und religiösen Identitäten die Stadt.
Und wie ein Sprichwort sagt – „Ein Gesicht erzählt dir die Geschichte eines ganzen Lebens!“ – vereint FACING NATIONS in den von Oskar Stocker angefertigten Ölporträts die Gesichter und die Vielfalt der Welt in einem imposanten Gesamtkunstwerk inmitten unserer Stadt.
Für Graz ist dieses Werk eine große Auszeichnung und ein künstlerisches Monument für Freiheit, Gleichheit, Toleranz und Respekt! Unser besonderer Dank gilt dem Künstler Oskar Stocker und all jenen, die zum Gelingen dieses Projektes beigetragen haben!
Mag. Siegfried NAGL, Bürgermeister Graz
Lisa RÜCKER, Bürgermeister-Stellvertreterin Graz
Mag. Siegfried NAGL
Bürgermeister von Graz
Lisa RÜCKER
Vize-Bürgermeisterin Graz
Die Menschenwürde ist der zentrale Begriff der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR), die am 10. Dezember 2008 ihr 60-jähriges Jubiläum feiert. So beginnt die Präambel der AEMR mit der „Anerkennung der allen Mitgliedern der menschlichen Familie innewohnenden Würde und ihrer gleichen und unveräußerlichen Rechte, die die Grundlage der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt bildet …“ und Art. 1 bestimmt: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen“.
Univ.-Prof. Mag. Dr.
Dr. h.c. Wolfgang BENEDEK
Leiter des Europäischen Trainings- und Forschungszentrums für Menschenrechte und Demokratie (etc) in Graz
Migrant/innen sind ein wesentlicher Faktor der Berührung zwischen Kulturen, Zuwanderinnen und Zuwanderer bereichern Graz. Dies sind triviale Aussagen und zugleich wahr. Trotzdem wissen wohl die Wenigsten, was damit wirklich verbunden ist. Zuwandern bedeutet, dass man seine Heimat verlassen musste. Selbst wenn dies freiwillig erfolgte und man sich in Graz gut eingelebt hat, kann man sich oft noch lange zerrissen fühlen. Für die Zuwanderinnen und Zuwanderer standen oft extrem negative unmittelbar neben sehr positiven Erfahrungen.
Fast alle der in diesem Katalog abgebildeten Menschen aus 124 Ländern der Erde wurden auch interviewt. Diese von Eva Bravc und Simone Schumann durchgeführten Interviews wurden auf Tonband festgehalten und dann abgeschrieben. Hier wird ein sehr kleiner Auszug aus den vielfach höchst spannenden, oft auch tragischen, berührenden und amüsanten Aussagen der Befragten gegeben. Dabei kommen vor allem die Befragten selber zu Wort.
Warum kommt man nach Österreich, in die Steiermark, nach Graz? Einige Motive treten immer wieder auf: Liebe und Heirat, Studium und Beruf, purer Zufall – oder auch mehrere davon zugleich. „Ich war 1982 auf Urlaub nach meinem Studium… das war immer unser Traum, einmal nach Europa. Und dann, unterwegs von London nach Amsterdam, da habe ich einen Österreicher kennen gelernt… “ erzählt die 53-jährige Sprachlehrerin C. aus Brasilien. Der vor dem Krieg in seinem Land geflüchtete 43-jährige A. aus Somalia: „Es war ein langer Weg, von Somalia aus nach Kenia, von Kenia in den Jemen, vom Jemen nach Budapest, und von Ungarn nach Österreich. Obwohl, ich wollte nach Australien, ich habe Österreich und Australien verwechselt…“
Was ist notwendig, um sich sozial zu integrieren? Vor allem anderen: die Beherrschung
der Sprache. Dies kommt immer wieder zum Ausdruck. „Integration beginnt mit der
Sprache“, meint der 33-jährige Venezolaner I., „Mein erster Gedanke war, wenn ich
herkomme, möchte ich die Sprache so gut wie möglich und schnell kennen lernen,
damit ich die Leute verstehen kann, und die Kultur, die Musik…“. Die Beherrschung
einer Sprache erfordert Offenheit und Sympathie für die neue Umwelt; I. hat sich
das Lernen „auch leicht gemacht, weil ich mit oder ohne Fehler immer geredet habe
[lacht], ob ich ‚der‘ mit ‚die‘ verwechsle, das war mir wurscht“. Sprachbeherrschung,
soziale Identität und soziale Integration sind eng verflochten. Für die heute 46-jährige
Kosovarin T. war es am Anfang deshalb sehr schwierig, „denn natürlich, sobald man die
Sprache nicht kann, wird man merkwürdig angeschaut, mir war [es] unangenehm…“.
Dieses Problem besteht bis heute und in neuer Form: Ihrer elfjährigen Tochter ist
die mangelhafte Sprachbeherrschung der Mutter „nicht nur unangenehm, sie wurde
traurig. Sie hat geweint, immer wieder, weil man glaubt, wenn man Deutsch nicht gut
spricht, dann ist man dumm…“. Für den 26-jährigen A. aus Togo ist Sprachbeherrschung
ein geradezu existentielles Problem: „Weil, wenn man nicht Sprache kann, dann
bekommt man Ängste… Österreicher haben Angst, uns gegenüber, oder uns nahe zu
kommen, und wir haben dann Angst ihnen auch näher zu kommen, und jeder zieht
sich dann zurück… Sprache ist wichtig, ohne Sprache kann man nicht leben…“.
Sprachkenntnis ist Voraussetzung, Musik und Sport sind „Türöffner“ zur Integration.
Der 44-jährige J. aus Uruguay erzählt auf die Frage, wie er in Graz aufgenommen
worden sei: „Ja, toll eigentlich. Für mich war alles neu, alles sehr schön; ich habe gleich
angefangen, ein paar ganz nette Leute kennen zu lernen... Ich habe gleich am Anfang
gespielt, in der Herrengasse, so geübt eigentlich und Geld verdient… dort habe ich
die meisten der Freunde, die ich bis heute habe, kennen gelernt.“ Die Musik hat auch
dem 43-jährigen Kubaner S. sehr geholfen; er hat die Band „Cuba Libre“ gegründet
und ist damit in vielen großen Städten in Österreich aufgetreten. Dem 35-jährigen F.
aus Kolumbien wiederum hat der Sport geholfen, schon während eines Integrations-Sprachkurses, als er in Hartberg Volleyball gespielt hat. Heute übt er einen typisch österreichischen Sport aus, das Eisstock-Schießen. Der 34-jährige Marokkaner A.
hatte bisher „keine Probleme mit Menschen“, vor allem deshalb, weil er eine Stelle
als Sportlehrer gefunden hat; er führt auch ein Projekt „Bewegung und Impuls“ an
Volksschulen durch.
Religion und Kirche sind weitere Institutionen, die Integration fördern können. Auf die Frage, welche sozialen Kontakte er hatte, berichtet der 35-jährige F. aus Kolumbien:„Also, das war sehr positiv, wir sind katholische Leute… der Pfarrer hat uns viel geholfen und durch den haben wir eine Familie in Hartberg kennen gelernt.“ Die Religion war auch für den 24-jährigen Albaner R. der wichtigste Ankerpunkt: „Ich habe das Glück gehabt, dass ich in der Kirche war, der Evangelischen Methodistenkirche, wo die Menschen auch leichter ins Gespräch kommen und ich habe mich auch nie allein gefühlt…“
Diese Beispiele haben schon gezeigt, in welcher Weise Einwanderinnen und Einwanderer die Kultur von Graz bereichern und zum sozialen Zusammenhalt selbst unter Grazer/innen beitragen können. Hier noch einige weitere: Der 44- jährige Gitarrist I. aus Venezuela hat bei einer Reihe von Musikbands österreichweit gespielt, mit anderen Musiker/innen 70 CDs aufgenommen, eine Konzertreihe „Latin Jazz Night“ gegründet und Künstler/innen aus aller Welt nach Graz gebracht; er veranstaltet österreichweit Trommel-Workshops und „reist von einem Schüler zum nächsten… Inzwischen trommelt die halbe Steiermark [lacht]“. Die Brasilianerin C. hat das lateinamerikanische Institut in Graz gegründet. Der 67-jährige Grieche G. gründete und leitete einen Tanzverein, dem inzwischen über 170 Mitglieder angehören.
Aber auch Diskriminierungen erlebten viele der Befragten in Graz. Der 44-jährige I., inÖsterreich erfolgreicher Musiker (Perkussionist) aus Venezuela, machte in seinen 25 Jahren in Österreich „sehr viele schöne Erfahrungen, aber auch ein paar negative“. Im Anschluss an ein ausverkauftes Konzert im Grazer Orpheum ging man ins Theatercafé um zu feiern: „Ich komme als letzter hin… und wie ich so reinkomme, beginnt ein Typ mich auf tiefste, primitive rassistische Art zu beschimpfen, die ich vorher nie gesehen hatte... dann habe ich eine Krise gekriegt, habe viel geweint… Einmal, im Jahr 1986, bin ich in der Keplerstraße von drei Typen zusammengeschlagen worden… einmal hat mich auch die Polizei wie einen Schwerkriminellen behandelt.“ Die 42-jährige J., eine Krankenschwester aus Malaysia, berichtet: „Meine erste Erfahrung in Graz, das war eine alte Dame, ich bin zu ihr gegangen als eine Pflegerin; sie hat mich eigentlich verweigert, sie will nichts mit mir zu tun haben… Das war für mich ein Schock.“ Die 44-jährige Chilenin T. hatte am Anfang das Gefühl, es funktioniere alles „wie eine geschlossene Gesellschaft… es gibt nicht diese Bereitschaft, dass man den anderen annimmt oder den Weg leichter macht“. Echte Diskriminierung erfahren vor allem schwarze Afrikaner. Der 26-jährige Flüchtling A. aus Togo, seit 10 Jahren in Graz, berichtet: „Man steht an und für sich in einer anderen Hautfarbe...“ Erst als er die Sprache gelernt und Freunde gefunden hatte, „war es leichter, mich nicht mehr als schwarz zu sehen, sondern auch als Mensch, ja, zwischen Weißen…“. Dass er auf der Straße als Ausländer beschimpft wird, kommt „immer wieder vor, ich kann es nicht zählen…“.
Graz als neue Heimat? Auch dies berichten viele der Interviewten, vor allem dann, wenn sie schon lange hier leben und sich beruflich erfolgreich integriert haben. Der 44-jährige Musiker I. aus Venezuela: „… die Steiermark liebe ich über alles, ich fühle mich sehr beheimatet hier… Und das Interessante ist, wenn ich in Venezuela bin, auf Urlaub oder so, habe ich Heimweh nach Österreich… und umgekehrt aber auch… [lacht].“ „Ja, Heimweh ist immer da gewesen…, sogar jetzt noch nach 25 Jahren“ sagt die 53-jährige Sprachlehrerin C. aus Brasilien. Aber Sie versucht jedes Jahr in Brasilien Urlaub zu machen: „Ja…, das ist für mich sehr wichtig, dass ich einmal im Jahr dorthin komme.“ Der 49-jährige Chinese J. berichtet: „…die Österreicher sind sehr nett… Ja, wenn ich mit der Straßenbahn unterwegs bin zur Uni, wird immer gefragt: Von wo kommen Sie? Und brauchen Sie Hilfe? Besonders ältere Menschen, ja, und dann gibt er öfters schon Telefonnummer, sagt, wenn Sie Hilfe brauchen, dann können Sie einfach anrufen unter dieser Nummer…“ Echte Integration ist vor allem dann möglich, wenn man aus freien Stücken nach Graz kam, oder sogar hierher geholt wurde. Die 34-jährige Südkoreanerin H. kam nach Graz, weil sie als Opernsängerin eine Stelle bekam, obwohl ihr Paris, wo sie studierte, auch sehr gefiel: „Ich möchte sagen, dass Graz für mich heute mein persönliches gelobtes Land ist, für mich, ja, denn mein Umzug hierher war ein Wendepunkt in meinem Leben, sowohl in privater als auch in beruflicher Hinsicht. Trotzdem möchte ich irgendwann wieder zu meinen Wurzeln zurückkehren, wo meine Familie ist…“ Der 55-jährige Kurde P. empfindet es als„etwas Tolles, wenn man zwei Kulturen hat“; es stört ihn als Muslim nicht, wenn sein Sohn am liebsten christliche Lieder singt. Ein 26-jähriger Mann aus Togo hat in seiner Heimat so schreckliche Erfahrungen gemacht, dass er darüber gar nicht sprechen will; ihm „gefällt es in Graz besser [als anderswo in Österreich], wenn ich irgendwo hinfahre außerhalb von Graz, vermisse ich es schon… Es ist schon öfter passiert, dass ich zufällig jemanden in der Stadt getroffen habe, und wir dann ins Gespräch gekommen sind... Graz ist fast wie ein Haus, wo jeder kennt jeden…“.
O.Univ.-Prof. Dr. Max HALLER
Ordentlicher Professor für Soziologie, Karl-Franzens-Universität Graz
Univ.Prof.Dr.Max HALLER
Institut für Soziologie, KF-Uni, Graz
Zur Nation euch zu bilden, ihr hofft es, Deutsche, vergebens:
Bildet, ihr könnt es, dafür freier zu Menschen euch aus.
Schillers berühmter Definition des deutschen Nationalcharakters mag mancher
von Herzen zustimmen, wähnt er sich doch nur zu gern im Lager der Humanität
buchstäblich auf der sicheren Seite, während der Begriff der Nationalität seit
Grillparzer mit der Bestialität eine unheilige Allianz eingegangen ist. Mag er sich
durch die Geschichte des 20. Jahrhunderts bestätigt fühlen, so muss festgehalten
werden, dass eine solche Ethik nicht weit trägt:
Dr. Ulrich BECKER
Leiter der Alten Galerie im Landesmuseum Joanneum, Graz
Foto: Balsereit
beredtes Zeugnis friedlichen Zusammenlebens
Seit über sechzig Jahren widmen sich die Vereinten Nationen, ausgehend von
der Anerkennung der souveränen Gleichheit aller friedliebenden Staaten, der
Aufrechthaltung des Friedens und der internationalen Sicherheit. Es ist der UNO
in vielen Fällen gelungen, Friedensbedrohungen zu beseitigen, Friedensbrüche
zu verhindern und internationale Streitigkeiten mit friedlichen Mitteln nach den
Grundsätzen der Gerechtigkeit und des Völkerrechts beizulegen, so wie sie es in ihrer
Charta formuliert hat.
Mag. Guido SCHLIMBACH
Kurator, Kunst-Station St.Peter, Köln
Foto: privat
Ein Dialog. Oskar Stocker spricht mit Peter Wolf
P: Ein Porträt der Menschheit zu malen – ist das nicht eine Art von Vermessenheit, man muss sich fragen: Gibt es ein Gesicht der Menschheit – das Gesicht ist ja so individuell und unterschiedlich wie die DNA-Struktur oder der Fingerabdruck.
O: Diese Frage beschäftigt mich eigentlich sehr: Wo ist eine Individualität und
Einzigartigkeit noch klar gegeben? Wo ist die Grenze zur Uniformität oder Abstraktion
erreicht oder schon überschritten? Weil du den Fingerabdruck erwähnt hast: Auf den
ersten Blick ist er nicht unterscheidbar, und wenn das stimmt was die Forschung
sagt, so ist die DNA für jeden Menschen fast gleich, mit nur geringen Unterschieden
und trotzdem ist jeder Mensch einzigartig, einmalig und unverwechselbar. Also wäre
das Bild der Menschheit die Summe der Bilder aller Menschen, die je gelebt haben
oder zumindest jetzt leben. Als Maler nutze ich die Methoden der Behörden: Egal ob
Führerschein, Pass oder sonstiger Ausweis – die Identifikation erfolgt nach wie vor
primär durch das Gesicht.