Projekt
Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 als gemeinsames Ideal aller Völker und Nationen bezeichnet, damit jeder Einzelne und alle Organe der Gesellschaft sich bemühen, durch Unterricht und Erziehung die Achtung dieser Rechte und Freiheiten zu fördern.
Das Kulturprojekt „FACING NATIONS – culture of humanity“ bemüht sich um die
Umsetzung dieses Ideals in dankenswerter Weise. Mit hoher Sensibilität werden
Menschen aus den UN-Mitgliedsländern in den Mittelpunkt der Ausstellung gestellt.
Dr. Heinz FISCHER
Bundespräsident v. Österreich
Foto: PK
30 Jahre Vienna International Centre sind ein schöner Anlass, um Revue passieren zu lassen. Österreich ist stolz, Gastland für zahlreiche wichtige Organisationen der Vereinten Nationen zu sein. An vorderster Stelle sind die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO), das Büro der Vereinten Nationen in Wien (UNOV), die Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDO), das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC), die Vorbereitende Kommission für die Organisation des Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBTO) und das UN Büro für Weltraumfragen hier in Österreich zu Gast.
Die österreichische Amtssitzpolitik ist eine Säule der österreichischen Außenpolitik. Im Herzen Europas gelegen und im Laufe seiner Geschichte immer wieder Treffpunkt verschiedener Kulturen, Religionen und politischer Systeme, entwickelte Österreich eine eigene Kultur des Dialogs, gemeinsam mit einer aktiven Rolle in internationalen Organisationen und in der multilateralen Diplomatie. Als Gastland schätzt Österreich die wichtige Rolle der hier ansässigen Organisationen, die maßgeblich dazu beitragen, Wien als Drehscheibe für Frieden und Dialog weiter zu positionieren.
Dr. Michael SPINDELEGGER
Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten
Foto: Außenministerium/Hopi-Media
Die UNO-City an der Donau feiert heuer ihr 30-jähriges Bestehen. Am 23. August 1979 wurde sie feierlich eröffnet und den Internationalen Organisationen übergeben. Der markante Baukörper prägt seitdem die Skyline des neuen und modernen Wien.
Die in Wien ansässigen Internationalen Organisationen haben wesentlich zur Reputation Österreichs beigetragen, fast noch wichtiger ist aber der kulturelle Aspekt: Jene Menschen, die aus allen Ländern der Welt kommen um in der UNO-City zu arbeiten, sind eine tägliche Bereicherung für unsere Stadt und für unsere Gesellschaft.
Die UNO-City ist Stätte des Friedens und der internationalen Begegnung. Als Bürgermeister bin ich stolz auf die große Tradition Wiens als Stadt des Dialogs. Als einer der drei großen UNO-Amtssitze und einer der reichsten Regionen der Welt sehen wir es als unsere Verpflichtung und als Ehre, zu einer friedlichen Zukunft aller Völker, Kulturen und Religionen beizutragen.
Dr. Michael HÄUPL
Bürgermeister von Wien
Foto: Stadt Wien/Fotograf Kurt Keinrath
Das ideenreiche Projekt “FACING NATIONS – culture of humanity” spiegelt den Ursprung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vor über 60 Jahren wider. Das allererste von der Erklärung betonte Recht ist das Recht auf Leben – ein Recht, das Millionen von Menschen während der Grausamkeiten des Zweiten Weltkrieges verwehrt wurde.
Im selben Zeitabschnitt entstand eine neue Bedrohung für das Leben auf Erden: die sich anbahnende Bedrohung der atomaren Vernichtung. Das Auslöschen von Hiroshima und Nagasaki wird für immer lebhaft in unseren Gedanken bleiben. Heute haben acht Staaten insgesamt über 2000 Atomtests durchgeführt und dabei über 20.000 Atomwaffen angesammelt, von denen jede die Hiroshima-Bombe, in Hinsicht der zerstörerischen Kraft, in den Schatten stellt.
Deswegen ist es eine tiefgreifende moralische und menschliche Verpflichtung, auf die Beseitigung dieser Waffen hinzuarbeiten. Es stimmt mich hoffnungsvoll, dass in den letzten Jahren eine wachsende Anzahl von Staats- und Regierungschefs die Vision einer atomwaffenfreien Welt mit offenen Armen empfangen hat.
Tibor TÓTH
Exekutivsekretär, Vorbereitungskommission für die Organisation des Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBTO)
Foto: CTBTO
Die Internationale Atomenergie-Organisation wurde im Jahr 1957 gegründet, vier Jahre nachdem Präsident Eisenhower zur Schaffung einer Organisation aufgerufen hatte, die Atomwissenschaft und Atomtechnik in den Dienst der Menschheit stellt und die garantiert, dass Atomenergie ausschließlich für friedliche Zwecke verwendet wird.
Nach fast 20 Jahren im Grand Hotel hat sich die Behörde 1979 im Internationalen Zentrum Wien niedergelassen. Die Anzahl unserer Mitglieder ist kontinuierlich angestiegen und umfasst nun 150 Staaten.
Unser Doppelmandat, das Sicherheit und Entwicklung beinhaltet, ist einzigartig. In der Öffentlichkeit wird unsere Behörde meistens mit unserer Arbeit gegen die Verbreitung von Atomwaffen assoziiert, aber wir tun mehr als nur das.
Indem wir Entwicklungsländern Nukleartechniken zugänglich machen, verhelfen wir ihnen zu einem besseren Zugang zu Nahrung, Wasser und medizinischer Versorgung für die Armen. Die nuklearen Sicherheitsstandards der IAEO sind zu einem internationalen Maßstab geworden und werden nun auch in die Gesetze der Europäischen Union integriert. Wir haben ein bedeutendes nukleares Sicherheitsprogramm, das die Wahrscheinlichkeit, dass Atom- oder radioaktives Material in die Hände von Extremistengruppen fällt, reduziert hat.
Mohamed ELBARADEI
Generaldirektor, Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO)
Foto: IAEA/IAEO
Vor dreißig Jahren, als die Bewohner Wiens zum ersten Mal die unerreichbar hohen und futuristischen Gebäude sowie die riesigen aneinander gereihten Bögen entlang des Donauufers betrachteten, war die Welt ein völlig anderer Ort. In jenen Tagen wagten sich nicht viele auf diese Seite des Flusses hinaus. Tatsächlich stand das Internationale Zentrum Wien, einem Wachposten gleich, zwischen konkurrierenden Staatsgruppen und Systemen: Aus dem höchsten seiner 28 Stockwerke konnte man mit bloßem Auge sogar die Teilungslinie zwischen dem Westen und dem Osten erkennen.
Diese neuartige Konstruktion ist jedoch nicht entstanden, um die Teilung zu festigen. Es nahm vielmehr den Ansatz österreichischer Tradition zur Diskussion, Einigung und dem gegenseitigen Verständnis an, die sogar auf den Wiener Kongress von 1814 zurückgeht und diesem neues Leben einhauchte. Man weigerte sich zu akzeptieren, dass die geographische Lage Wiens peripher sein sollte, da es vielmehr als neutraler Raum im Herzen der Welt definiert wurde. Ein neuer Begriff hat sich in den internationalen Beziehungen rasant verbreitet: „Der Wiener Geist“, also die Bereitschaft, einen Konsens anzustreben, der sich oftmals den Bemühungen jener entzog, die in anderen Sparten der multilateralen Diplomatie aktiv waren.
Kandeh K. YUMKELLA
Generaldirektor, Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDO)
Foto: UNIDO
Seit 1979, und somit seit 30 Jahren, haben die Vereinten Nationen in der österreichischen Hauptstadt ihren dritten Hauptsitz (nach New York und Genf), untergebracht im Internationalen Zentrum Wien (VIC) – einer Sehenswürdigkeit der Stadt.
In den letzten drei Jahrzehnten ist das VIC zu einem internationalen Knotenpunkt für Belange der menschlichen Sicherheit geworden. Diese Bandbreite und Tiefe an Expertise spiegelt wider, wie hervorragend das Büro der Vereinten Nationen in Wien positioniert und ausgerüstet ist, um einige der dringlichsten Herausforderungen dieser Welt zu behandeln.
Auch das Internationale Zentrum Wien verändert sich mit der Zeit. In diesem Jubiläumsjahr feiern wir die Eröffnung eines hochmodernen Konferenzgebäudes, dem sogenannten M-Gebäude. Außerdem intensivieren wir unsere Anstrengungen, das VIC durch die Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen, Wiederverwertung und Abfallverringerung umweltfreundlicher zu machen.
Antonio Maria COSTA
Generaldirektor, Büro der Vereinten Nationen in Wien (UNOV)
Foto: UNOV/UNODC
Als UNIS Wien im Dezember 2008 FACING NATIONS in Graz unterstützte, wussten wir, dass dies nur der Anfang einer beeindruckenden und weitreichenden Reise sein würde. Der Anlass damals war der 60. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, deren Botschaft von Würde und Menschenrechte für uns alle auch der Grundgedanke von FACING NATIONS ist.
Nach dem großen Erfolg in Graz waren wir sicher, dass die Ausstellung ein
sehr guter Beitrag zu den Feierlichkeiten zum 30. Jubiläum des Internationalen
Zentrums Wien (VIC) sein würde.
Dir. Maher NASSER
UN-Informationsdirektion
Foto: UNIS
60 Jahre nach Unterzeichnung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte hat das ORF-Landesstudio Steiermark im Jahr 2008 mit dem einzigartigen Kunst- und Kulturprojekt „FACING NATIONS – culture of humanity“ des Malers Oskar Stocker an die Entstehung der UN-Menschenrechtscharta erinnert. Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums des Vienna International Centre in Wien ist dieses beeindruckende Werk jetzt auch in der Bundeshauptstadt zu sehen.
Das Projekt „FACING NATIONS – culture of humanity“ mit Porträts von 124
Menschen aus 124 Nationen steht auf eindrucksvolle Weise für Weltoffenheit,
Internationalität, Toleranz und Humanität.
Dr. Alexander WRABETZ
ORF-Generaldirektor
Foto: ORF/Ramsdorfer
Während meiner Jahre bei den Vereinten Nationen hatte ich das Glück, auf allen Kontinenten mit vielen Nationen zusammenzuarbeiten. Diese Erfahrung hat mir gezeigt, welch entscheidende Rolle wir als Länder, Institutionen und Gemeinschaften, aber auch als Individuen füreinander spielen. Ich selbst habe Wurzeln im Islam, in Asien und im Nahen Osten, mein Lebensmittelpunkt ist Wien und die stolze Tradition Österreichs und Zentraleuropas ist durch meine Heirat ein Teil meiner Selbst geworden. Somit weiß ich aus eigener Erfahrung, was Integration in eine andere Welt bedeutet. Es ist nicht immer einfach, aber es ist möglich; mit gutem Willen und Bemühungen vonseiten derer, die ankommen und auch jener, die sie empfangen. Daher sehe ich mich als starke Unterstützerin des Projekts FACING NATIONS, das mit einer wunderbaren kulturellen und künstlerischen Idee beginnt, eingebettet in eine uns alle – ungeachtet unserer Unterschiede – verbindende Menschlichkeit. Ich hoffe, dass diese erste Veranstaltung zu einer weltweiten Kampagne führen wird, um aller Welt zu zeigen, dass Menschen und Gemeinschaften mit unterschiedlichen Wurzeln und Hintergründen sich gegenseitig bereichern und voneinander profitieren und dass sie zusammen leben und arbeiten sollen und können. Der Erfolg von FACING NATIONS sollte unseren Glauben daran bestärken, dass wir in Frieden und Harmonie anstatt in Angst und Streit leben können.
Die Charta der Vereinten Nationen spricht von „Wir die Völker“ – eine universale, Grenzen und Unterschiede überwindende Botschaft. Meiner Ansicht nach unterstützen die Ideen und Hoffnungen dieses Projekts die fundamentalen Ziele der Vereinten Nationen – eine bessere Welt für uns und zukünftige Generationen durch Frieden, Menschenrechte und Entwicklung.
Nasra HASSAN, ehemalige Direktorin des Informationsdienstes der Vereinten Nationen (UNIS) in Wien; 27-jährige Erfahrung bei den Vereinten Nationen in den Bereichen öffentliche Information, soziale Entwicklung, humanitäre Hilfe & Flüchtlingsangelegenheiten, Friedenssicherung und Drogen- & Verbrechensbekämpfung; Stationierung im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York und Wien sowie im Nahen Osten, dem Balkan und Zentralasien
Nasra HASSAN
ehem. UN-Informationsdirektion
Das 60-Jahr-Jubiläum der Unterzeichnung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gibt einmal mehr Anlass dazu, sich über die Lage der Umsetzung der Menschenrechte Ge-danken zu machen: Das Land Steiermark bekennt sich ohne Einschränkung zur Einhaltung der Menschenrechte und hat in diesem Sinne auch umfangreiche Handlungen im eigenen Wirkungsbereich gesetzt. Dazu zählen unter anderem das Einsetzen von verschiedensten Beauftragten zur Überwachung der Menschenrechte sowie die Verleihung des Menschenrechtspreises des Landes Steiermark an Personen, die sich um die Einhaltung bzw. Durchsetzung der Menschenrechte Verdienste erworben haben. Auch in anderen Tätigkeitsfeldern, wie etwa die Unterstützung von Projekten der Entwicklungszusammenarbeit, werden ebenfalls Akzente zur Umsetzung und Wahrung der Menschenrechte gesetzt.
Mag. Franz VOVES
Landeshauptmann Stmk.
FACING NATIONS ist ein spannendes Konzept zur Visualisierung des Zusammenhangs von künstlerischem Schaffen und Menschenrechten. Die Porträts von Menschen mit Migrationshintergrund zeugen von deren Gesicht, von deren unantastbarer Persönlichkeit. Zu leicht sprechen wir jenen, die – aus welchen Umständen auch immer – ihre Heimat verloren haben, letztlich auch noch die Identität ab.
Dr. Kurt FLECKER
Landeshauptmann-Stv.
Seit acht Jahren ist die Stadt Graz als bislang einzige Menschenrechtsstadt Europas den Grundrechten besonders verpflichtet. Nicht zuletzt deshalb ist es für uns eine besondere Ehre, die Präsentation von FACING NATIONS in der steirischen Landeshauptstadt erleben zu dürfen.
Dieses vom ORF Steiermark anlässlich des 60-Jahr-Jubiläums der Unterzeichnung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte initiierte Projekt vermittelt auf eine sensible und anspruchsvolle Weise den Geist der Deklaration und seine Bedeutung für unsere Gesellschaft. Menschen aus über 150 Nationen leben in Graz und prägen und bereichern durch ihre unterschiedlichen Lebenswege, Nationalitäten, Schicksale und ihre kulturellen und religiösen Identitäten die Stadt.
Und wie ein Sprichwort sagt – „Ein Gesicht erzählt dir die Geschichte eines ganzen Lebens!“ – vereint FACING NATIONS in den von Oskar Stocker angefertigten Ölporträts die Gesichter und die Vielfalt der Welt in einem imposanten Gesamtkunstwerk inmitten unserer Stadt.
Für Graz ist dieses Werk eine große Auszeichnung und ein künstlerisches Monument für Freiheit, Gleichheit, Toleranz und Respekt! Unser besonderer Dank gilt dem Künstler Oskar Stocker und all jenen, die zum Gelingen dieses Projektes beigetragen haben!
Mag. Siegfried NAGL, Bürgermeister Graz
Lisa RÜCKER, Bürgermeister-Stellvertreterin Graz
Mag. Siegfried NAGL
Bürgermeister von Graz
Lisa RÜCKER
Vize-Bürgermeisterin Graz
Die Menschenwürde ist der zentrale Begriff der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR), die am 10. Dezember 2008 ihr 60-jähriges Jubiläum feiert. So beginnt die Präambel der AEMR mit der „Anerkennung der allen Mitgliedern der menschlichen Familie innewohnenden Würde und ihrer gleichen und unveräußerlichen Rechte, die die Grundlage der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt bildet …“ und Art. 1 bestimmt: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen“.
Univ.-Prof. Mag. Dr.
Dr. h.c. Wolfgang BENEDEK
Leiter des Europäischen Trainings- und Forschungszentrums für Menschenrechte und Demokratie (etc) in Graz
Migrant/innen sind ein wesentlicher Faktor der Berührung zwischen Kulturen, Zuwanderinnen und Zuwanderer bereichern Graz. Dies sind triviale Aussagen und zugleich wahr. Trotzdem wissen wohl die Wenigsten, was damit wirklich verbunden ist. Zuwandern bedeutet, dass man seine Heimat verlassen musste. Selbst wenn dies freiwillig erfolgte und man sich in Graz gut eingelebt hat, kann man sich oft noch lange zerrissen fühlen. Für die Zuwanderinnen und Zuwanderer standen oft extrem negative unmittelbar neben sehr positiven Erfahrungen.
Univ.Prof.Dr.Max HALLER
Institut für Soziologie, KF-Uni, Graz
Zur Nation euch zu bilden, ihr hofft es, Deutsche, vergebens:
Bildet, ihr könnt es, dafür freier zu Menschen euch aus.
Schillers berühmter Definition des deutschen Nationalcharakters mag mancher
von Herzen zustimmen, wähnt er sich doch nur zu gern im Lager der Humanität
buchstäblich auf der sicheren Seite, während der Begriff der Nationalität seit
Grillparzer mit der Bestialität eine unheilige Allianz eingegangen ist. Mag er sich
durch die Geschichte des 20. Jahrhunderts bestätigt fühlen, so muss festgehalten
werden, dass eine solche Ethik nicht weit trägt:
Dr. Ulrich BECKER
Leiter der Alten Galerie im Landesmuseum Joanneum, Graz
Foto: Balsereit
beredtes Zeugnis friedlichen Zusammenlebens
Seit über sechzig Jahren widmen sich die Vereinten Nationen, ausgehend von
der Anerkennung der souveränen Gleichheit aller friedliebenden Staaten, der
Aufrechthaltung des Friedens und der internationalen Sicherheit. Es ist der UNO
in vielen Fällen gelungen, Friedensbedrohungen zu beseitigen, Friedensbrüche
zu verhindern und internationale Streitigkeiten mit friedlichen Mitteln nach den
Grundsätzen der Gerechtigkeit und des Völkerrechts beizulegen, so wie sie es in ihrer
Charta formuliert hat.
Bei aller Kritik, die eine solche O rganisation immer auch auf sich ziehen mag, genießt die UNO weltweit höchstes Ansehen. Und doch, das Zusammenleben der Menschen ist durch weltweite Migrationsbewegungen, durch massive Unterschiede in der Verteilung materieller wie ideeller Möglichkeiten sowie durch das Aufeinandertreffen verschiedener religiöser Vorstellungen innerhalb der Gesellschaft einzelner Länder und Regionen nicht einfacher geworden.
Nur wenigen Menschen ist es gegeben aufgrund ihrer konsequenten undüberzeugenden Lebensführung, ihrer umfassenden Bildung und ihrer geistigen Unabhängigkeit, Gehör zu finden zu den globalen Fragen nach Frieden, Gerechtigkeit und dem Schutz der Umwelt. Vielen Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Religion traut man nicht mehr zu, die Zeitfragen, Probleme und Wünsche der Menschen offen und zukunftsorientiert zu formulieren und zu verhandeln. Im Hinblick auf andere Kulturbereiche ist es die Kunst, die offenbar nach wie vor mit weniger Einschränkungen das Interesse und das Vertrauen der Menschen zu wecken in der Lage ist. Die Lust, sich mit Kunst auseinander zu setzen, scheint ungebrochen. Die Kunst bietet nach wie vor vielfältige Möglichkeiten und lädt dazu ein, sich mit ihren Fragestellungen zu befassen.
Im Dezember 2008 jährte sich zum sechzigsten Mal die Verabschiedung der Deklaration der Menschenrechte durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen im Palais de Chaillot in Paris. Auf ihr fußen seither die humanitären Grundlagen des Völkerrechts. Eingedenk des hohen Ansehens, das die Kunst mit der Formulierung der Menschheitsfragen genießt, wundert es nicht, dass das Landesstudio Steiermark des Österreichischen Rundfunks zum Jubiläum der Menschenrechtscharta ein Kunstprojekt initiierte. Für den Sender war allerdings nicht, wie man meinen könnte, die Medienkunst Mittel der Wahl, sondern die Malerei.
Oskar Stocker, 1956 in Lienz/Osttirol geboren, lebt und arbeitet seit vielen Jahren in Graz. Im vergangenen Jahr berief ihn der ORF Steiermark zum „Artist in Residence“ und beauftragte ihn, einen Menschheitsfries zu schaffen, der seinesgleichen sucht. Mehr als 150 Meter lang erstreckt sich Stockers Gemälde, das insgesamt 124 Grazerinnen und Grazer im Porträt zeigt. Alle entstammen verschiedenen Nationen: von Ägypten bis Indien, von Bulgarien bis Somalia, von Japan bis zum Irak, von Lettland bis Peru. Ausgiebige Recherche und behutsame Ansprache machten es möglich, dass 124 Frauen und Männer Stocker in dessen Atelier im Grazer Funkhaus aufsuchten, um sich porträtieren zu lassen.
Vor dreißig Jahren wurde Wien nach New York und Genf der damals dritte Amtssitz der Vereinten Nationen. Zum Jubiläum zeigt die UNO gemeinsam mit der Republik Österreich Oskar Stockers Nationenpanorama in der Rotunde des Vienna International Centre. Nach Graz ist Wien nun die zweite Station dieser eindrucksvollen Präsentation.
Die jüngere und jüngste Geschichte lehrt uns, wie unterschiedlich der Begriff der
Nation gebraucht werden kann. Die Idee der Nation kann zur gefährlichen Waffe
gegenüber Fremden missbraucht werden. Andererseits kann sie ein Gefühl von Heimat
und Zugehörigkeit vermitteln, das Überleben erst möglich macht. Der Nationenbegriff
kann ethnisch und kulturell aufgefasst werden. Der Maler Oskar Stocker greift ihn
ganz persönlich auf, in dem er den Nationen ein Gesicht gibt. Es geht ihm um die
Menschen.
Den Vereinten Nationen gehören mehr als 190 Nationalstaaten an. In diesen leben allerdings Menschen vieler tausender Kulturen, die sich separiert oder vereint, freiwillig oder gezwungen unter dem Dach ihrer Staaten wieder finden. Die in Graz lebenden rund 290.000 Menschen entstammen mehr als 150 Nationen, alle aber bilden gemeinsam die Bewohnerschaft der steirischen Landeshauptstadt.
Wenn Stocker die von ihm porträtierten 124 Gesichter in ungeordneter und unhierarchischer Weise aneinanderreiht, will und kann er damit keinen repräsentativen Überblick über die Grazer Bevölkerung geben. Der Künstler zeigt allerdings einen Ausschnitt des Zusammenlebens in der Stadt, so wie es ist, unabhängig von Geschlecht und Alter, Hautfarbe und Sprache. Allein die Abstammung einer bestimmten Nation bildete die Folie seiner Auswahl. Das Zusammenspiel der Porträts steht für die vielen Kulturen, die hier ihre neue Heimat gefunden haben, die hier teils harmonisch, teils fremd aufeinander stoßen und die hier im guten wie im kritischen Sinne die Multikulturalität von Graz ausmachen.
Bei seinen Porträtsitzungen schaffte es der Maler, trotz der begrenzten Zeit schnell mit seinen Modellen in Kontakt zu kommen. Er stellte ihnen Fragen, beispielsweise welche Erinnerung sie an ihre Ankunft in Graz hatten, ob sie sich an das Wetter erinnerten oder ihre erste Mahlzeit in der neuen Heimatstadt. Dabei machte er Skizzen der Porträtierten und fotografierte sie. Diese Begegnungen waren trotz der Kürze von Langsamkeit und Intensität geprägt.
Stocker war der Augenkontakt besonders wichtig. Ähnlich wie Antonello da Messina im 15. Jahrhundert oder Porträtmaler späterer Epochen sucht er den Blick der Porträtierten, ob sie nun lachen oder ernst blicken. Daher sind alle Porträtierten auf gleicher Augenhöhe und mit ähnlichem Gestus zu sehen. Stockers Gesichter lassen die Biografien und Lebensmöglichkeiten nur erahnen, sie spiegeln Erfahrungen und Begegnungen wider, Betroffenheit oder Gleichgültigkeit, Aufbruch oder Angekommensein, Befangenheit oder Unabhängigkeit. In ihrer stillen Präsenz sind sie beredte Zeugen ihrer Geschichte.
Der Maler möchte seine Modelle auf eine Weise zeigen, dass ein stiller Dialog mit den Betrachterinnen und Betrachtern möglich wird. Diese können nun Schlüsse ziehen, welche Nation die einzelnen repräsentieren, sie können versuchen, diese an Physiognomie oder Hautfarbe festzumachen, allein der Name der Nation bleibt ihnen verborgen. Die Abgebildeten begegnen Menschen als Menschen.
Insofern könnte der Titel FACING NATIONS zur Missinterpretation führen. Eine Gegenüberstellung der Nationen findet wohl kaum statt (to face – gegenüberstellen). Eher eine Begegnung ihrer Vertreterinnen und Vertreter (to face – begegnen), zwischen den jeweils nebeneinander abgebildeten Personen, vor allem aber zwischen diesen und den Betrachterinnen und Betrachtern, die auch in Wien und in den späteren Stationen der Ausstellung jeweils ihrer eigenen Nation angehören.
Das Faszinosum des Porträts scheint ungebrochen. Oskar Stocker steht mit FACING NATIONS gleichermaßen in beeindruckender Tradition und im aktuellen Interesse. Doch die 124 Gesichter sind mehr als eine Porträtgalerie. Nachdem sich das Regelwerk der traditionellen Malerei aufgelöst zu haben scheint, kann auch der Begriff der Historienmalerei in seiner traditionellen Form nicht mehr aufrechterhalten werden. Von ihr gehen keine Belehrung, keine verbindliche Bildaussage und keine allgemeingültigen Appelle an den Betrachter mehr aus. Vielmehr könnte man ihre Aufgabe darin sehen, ihre konkrete Gegenwart im Bild zu bannen, den konkreten Augenblick zu beschreiben und damit eine Erinnerung künstlerisch zu verdichten. Insofern ist FACING NATIONS eine völlig neue, eine zutiefst angemessene und sehr zeitgenössische Form der Historienmalerei und damit ein wichtiger Beitrag zur Gedächtniskunst der Gegenwart.
Oskar Stockers Malerei zeigt, dass die Kunst tatsächlich das Interesse und das Vertrauen der Menschen verdient. Mit FACING NATIONS schuf Stocker einen Personenfries, der den tiefen Wunsch der Menschheit zum Ausdruck bringt, friedlich und harmonisch zusammen zu leben und in wohlwollender Nachbarschaft das Gesicht einer Stadt zu bilden. Stockers Porträts dokumentieren das Humanum, das in der Erklärung der Menschenrechte ihren festgeschriebenen Niederschlag gefunden hat und für das Zusammenleben der Nationen in der Zukunft unverzichtbar ist.
Dr. Guido SCHLIMBACH
Mag. Guido SCHLIMBACH
Kurator, Kunst-Station St.Peter, Köln
Foto: privat
Ein Dialog. Oskar Stocker spricht mit Peter Wolf
P: Ein Porträt der Menschheit zu malen – ist das nicht eine Art von Vermessenheit, man muss sich fragen: Gibt es ein Gesicht der Menschheit – das Gesicht ist ja so individuell und unterschiedlich wie die DNA-Struktur oder der Fingerabdruck.
O: Diese Frage beschäftigt mich eigentlich sehr: Wo ist eine Individualität und
Einzigartigkeit noch klar gegeben? Wo ist die Grenze zur Uniformität oder Abstraktion
erreicht oder schon überschritten? Weil du den Fingerabdruck erwähnt hast: Auf den
ersten Blick ist er nicht unterscheidbar, und wenn das stimmt was die Forschung
sagt, so ist die DNA für jeden Menschen fast gleich, mit nur geringen Unterschieden
und trotzdem ist jeder Mensch einzigartig, einmalig und unverwechselbar. Also wäre
das Bild der Menschheit die Summe der Bilder aller Menschen, die je gelebt haben
oder zumindest jetzt leben. Als Maler nutze ich die Methoden der Behörden: Egal ob
Führerschein, Pass oder sonstiger Ausweis – die Identifikation erfolgt nach wie vor
primär durch das Gesicht.